Reise der Rotlachse

vom Wind River zum Pazifik – und zurück

Kommt mit auf die Reise der Rotlachse! Begleitet uns nach Alaska – in den riesigen Wood-Tikchik-Nationalpark, dem größten Nationalpark der USA. Hier wächst der Sockeye, dieser beeindruckende Wanderfisch, frei und natürlich auf.

Die Reise der Rotlachse beginnt mit der Geburt im Wind River, zu dem sie Jahre später wieder zurückkehren werden. Doch in den Jahren dazwischen wird der Sockeye über die Seen des Nationalparks zum Nushagak-Fluss schwimmen und von dort in den pazifischen Ozean wandern. Erlebt mit uns, wie aus dem kleinen Brütling ein prächtiges, vitales Tier heranwächst, dass viele Hindernisse zu überwinden hat. Lernt seine Umgebung und die Tiere kennen, auf die der Lachs trifft. Und last but not least: erfahrt, warum der Sockeye-Lachs eine zentrale Rolle im Ökosystem im hohen Norden Amerikas einnimmt.

Mitte Januar: Leben unter dem Eis

Bitterkalt ist es in Alaska. Im »Land, in dessen Richtung das Meer strömt« - wie es die Ureinwohner nennen - lässt der Winter im eisigen Januar die Flüsse zufrieren. Tiefer Schnee bedeckt die Wälder am Wind River im Wood-Tikchik-Nationalpark, tief im Hinterland Südwestalaskas. Die Schneedecke glitzert ab und an im milden Sonnenlicht. Nur das gelegentliche Krächzen eines Raben ist zu hören - sonst herrscht Stille. Doch der Schein trügt. Denn unter dem Eis im Bach erwacht bereits das Leben – das Leben der kleinen Lachse.

Hier im Kleinen beginnt die erstaunliche, ereignisreiche Reise der so zähen Wanderfische. Ihre Eltern haben die Eier, den Laich, im letzten Herbst im Flussbett in Kiesgruben abgelegt. Ihre Mutter hat die Laichgrube mit einigen Schwanzflossenbewegungen ins Flussbett geschlagen, dort die Eier hinein gelegt und nach der Befruchtung durch das Männchen wieder mit Kieselsteinen bedeckt. Anschließend sind die Eltern vor Erschöpfung gestorben.

Doch nun, mitten im Winter, tief im verborgenen Kiesbett, regt sich etwas in den Eiern. Kleine schwarze Punkte sind zu erkennen – es sind die Augen der Babylachse. Sie haben das sogenannte Augenpunktstadium erreicht.

Noch sind sie unter dem Eis geschützt – aber schon bald werden die Tage länger und die Kraft der Sonne stärker. Hier, so weit entfernt von der Zivilisation. Im »Land, in dessen Richtung das Meer strömt«.

Ende Januar: Eistaucher am Wind River

Die Reise der Rotlachse beginnt mit der Geburt im Wind River, zu dem sie Jahre später wieder zurückkehren werden. Doch in den Jahren dazwischen wird der Sockeye über die Seen des Nationalparks zum Nushagak-Fluss schwimmen und von dort in den pazifischen Ozean wandern. Erlebt mit uns, wie aus dem kleinen Brütling ein prächtiges, vitales Tier heranwächst, dass viele Hindernisse zu überwinden hat. Lernt seine Umgebung und die Tiere kennen, auf die der Lachs trifft. Und last but not least: erfahrt, warum der Sockeye-Lachs eine zentrale Rolle im Ökosystem im hohen Norden Amerikas einnimmt.

Mitte Januar: Leben unter dem Eis

Bitterkalt ist es in Alaska. Im »Land, in dessen Richtung das Meer strömt« - wie es die Ureinwohner nennen - lässt der Winter im eisigen Januar die Flüsse zufrieren. Tiefer Schnee bedeckt die Wälder am Wind River im Wood-Tikchik-Nationalpark, tief im Hinterland Südwestalaskas. Die Schneedecke glitzert ab und an im milden Sonnenlicht. Nur das gelegentliche Krächzen eines Raben ist zu hören - sonst herrscht Stille. Doch der Schein trügt. Denn unter dem Eis im Bach erwacht bereits das Leben – das Leben der kleinen Lachse.

Hier im Kleinen beginnt die erstaunliche, ereignisreiche Reise der so zähen Wanderfische. Ihre Eltern haben die Eier, den Laich, im letzten Herbst im Flussbett in Kiesgruben abgelegt. Ihre Mutter hat die Laichgrube mit einigen Schwanzflossenbewegungen ins Flussbett geschlagen, dort die Eier hinein gelegt und nach der Befruchtung durch das Männchen wieder mit Kieselsteinen bedeckt. Anschließend sind die Eltern vor Erschöpfung gestorben.

Doch nun, mitten im Winter, tief im verborgenen Kiesbett, regt sich etwas in den Eiern. Kleine schwarze Punkte sind zu erkennen – es sind die Augen der Babylachse. Sie haben das sogenannte Augenpunktstadium erreicht.

Noch sind sie unter dem Eis geschützt – aber schon bald werden die Tage länger und die Kraft der Sonne stärker. Hier, so weit entfernt von der Zivilisation. Im »Land, in dessen Richtung das Meer strömt«.

Ende Januar: Eistaucher am Wind River

»Dschit!« klingt es am halb zugefrorenen Wind River, hier in Südwestalaska. Doch woher stammt dieser zarte Vogelruf? Am Ufer ist sie auch im Winter kaum zu erkennen: die Grauwasseramsel. Sie lebt sie an strömungs- und sauerstoffreichen, kleineren Fließgewässer in Nordamerika. Bis zu 20 Zentimeter wird diese Amsel groß – hervorragend tarnt sie sich zwischen den Steinen durch ihre schiefergraue Farbe.

Wie viele Tiere in Alaska ist auch »Cinclus mexicanus« eng mit den Lachsen verbunden. Denn die kleinen Eier der Wildlachse, die in den Flüssen Nordamerikas unter Steinen und Kies liegen, sind eine ihrer Lieblingsspeisen. Das Besondere: sie kann durch ihre Nickhaut, die wie eine Taucherbrille ihre Augen schützt, auch unter Wasser bis zu den Steinen tauchen. Im Winter tut sie das sogar unter dem Eis – deshalb ist sie hier am Wind River im Wood-Tikchik-Nationalpark auch ganzjährig anzutreffen.

In Untersuchungen konnte man nachweisen, wie stark dieser kleine Vogel von den Lachsen profitiert. In den USA verglichen Wissenschaftler die Entwicklung der Vögel mit und ohne die Lachseier.

Die amerikanische Biologin und Wildtierexpertin Kim Sager-Fradken konnte feststellen, dass die Chance für eine zweite Brutzeit und damit deutlich mehr Nachkommen im Jahr 20fach höher liegt, wenn sich Lachse im Fluss befinden und dort laichen. Die Eier des Nachwuchses stecken voller Nährstoffe, die für die Amseln von entscheidender Bedeutung für ihre eigene Entwicklung sind.

Anfang Februar: Die Kieselsteine des Wind Rivers

Noch prägen Schnee und Eis am Ufer des Wind Rivers in Südalaska die Landschaft. Das endlose Weiß macht den Wald am »Gui-guok-lok« – so nennen die Ureinwohner den Fluss – undurchdringlich. Alles erscheint gedämpft und erstarrt. Nur vereinzelt öffnet sich am Ufer die Schneedecke; kleine Kieselsteine werden vom halb gefrorenen, noch trägen Wasser umspült. Tief unten im Flussbett entwickeln sich die Larven der pazifischen Lachse in der winterlichen Ruhe weiter.

Der Kies hat dabei eine besondere Funktion. An den kleinen Steinchen bilden sich Wasserwirbel, in denen der im Wasser enthaltene Sauerstoff austreten kann. Durch die kleinen Ritzen zwischen den Kieselsteinen kann der Sauerstoff aus dem darüber strömenden Wasser auch zu den sicher gelagerten Eiern gelangen. So sind die Lachs-Babys sicher geschützt, aber auch ausreichend versorgt. Und auch das Erbe ihrer Eltern hilft den kleinen Fischnachkommen, sich gut zu entwickeln. Denn das Wasser ist voller Nährstoffe, dass von den Kadavern ihrer im Herbst gestorbenen Vorfahren stammt.

Mitte Februar: Der Bringer des Lichts

Der Bringer des Lichts sitzt in Alaska auf den schneebedeckten Bäumen, oft in der Nähe der Lachsflüsse. Es ist der Rabe, den die Ureinwohner als mythische Gestalt, der den Menschen etwas voraus hat, verehren. Das mag wohl auch an der offenkundigen Intelligenz dieser Tiere liegen. Der Legende der alaskischen Indianer nach hatte der schwarze Vogel Mitleid mit den Menschen, die er eines Tages nackt in einer Muschel fand. Er brachte ihnen Nahrung, Kleidung, Feuer und unterwies sie in Ritualen, um sie vor bösen Geistern zu schützen.

In Alaska leben die größten Raben der Welt – sie können bis zu 60 cm lang werden und dabei eine Flügelspannweite von 1,50 Meter entwickeln. Sie sind in der Lage, Individuen zu unterscheiden, Abläufe zu beobachten und logisch zu agieren. Sie setzen dabei sogar Werkzeuge ein. Ihre enorme Anpassungsfähigkeit hilft ihnen, auch im kalten Winter Nahrung zu finden. Auf ihrem Speiseplan stehen Insekten, Früchte, kleine Nager und natürlich Fisch. Im Sommer sind sie deshalb auch in der Nähe der lachsfischenden Bären zu finden – sie essen gerne die übrig gebliebenen Stücke, die die Bären zurücklassen.

Ende Februar: Die Lachslarven bereiten sich vor

Ende Februar werden die Strahlen der Sonne nun stärker. Ihre Wärme lässt das Eis auf dem Wind River in Südwestalaska langsam schmelzen. Das Erwachen der Natur ist deutlich zu hören: erste zarte Vogelstimmen durchdringen die Flusslandschaft, einige Frühblüher rauschen im Wind. Und überall hört man, wie das Eis nun zu Wasser wird. Es tropft und fließt in kleinen Rinnsalen.

Die höheren Temperaturen spüren auch die kleinen Lachse im Wind River. Das Leben bereitet sich auf wärme Tage vor; immer länger am Tag ist die Temperatur auch in Bodennähe über dem Gefrierpunkt. Für die Mini-Sockeyes ist es nun bald Zeit, zu schlüpfen. Aus den Eiern im Flussbett kriechen kleine Lachslarven. Ihr Aussehen erinnert stark an das von kleinen Kaulquappen. Die winzigen Rotlachse sind noch durchsichtig: man erkennt ihre Augen, den Verdauungstrakt und die zarten Knochen. Die Fische sind noch nicht schwimmfähig und ernähren sich die nächsten vier Wochen von ihrem Vorrat aus dem Dottersack.

Mit diesem letzten Proviant der Eltern bereiten sich die kleinen Rotlachse auf ihre Zeit draußen im Wind River vor. Denn für das Flusswasser Alaskas brauchen sie Schnelligkeit, Wendigkeit und Reaktionsfähigkeit.

Anfang März: Kaltes, klares Wasser

Eine Farbe, die fast unwirklich erscheint. Das Gletscherblau. Alaska ist für diese Farben bekannt – es ist, so hoch im Norden, ein Land des Eises. Und die Gletscher sind ein elementarer Bestandteil der Reise der Rotlachse. Denn ihr Wasser speist die Flüsse, wenn es nun wärmer wird. Ein Element von hoher Reinheit.

Die Gletscher Alaskas speichern den Schneefall von hunderten Jahren. Ihr Eis ist enorm komprimierter Schnee und verfügt deshalb über andere Eigenschaften als normales Eis. Die Gletscher absorbieren fast jegliche Lichtwellen – außer dem Gletscherblau. So zaubern diese gefrorenen Gebilde sonst unbekannte Farbwelten.

Im kurzen Frühjahr und Sommer des amerikanischen Nordens beginnt das Gletschereis an der Oberfläche zu schmelzen. Wasser fließt in kleinen Flüsschen auf dem Gletscher oder dringt in Ritzen in ihn ein. Diese Abflüsse können immer größer und gewaltiger werden. Gleichsam einem riesigen Badewannenstrudel reißt das Gletscherwasser dann Steine und Holz mit in den Abgrund und fräst tiefe Löcher bis auf den Gletschergrund in das Eis – dieses Phänomen nennt man Gletschermühle. So gelangt Wasser nicht nur von der Oberfläche, sondern auch vom Untergrund des Eispanzers in die Umgebung.

Die Sockeye-Lachse profitieren enorm von dieser kurzen Schmelze. Die Gletscher halten das Wasser in den Flüssen kalt und sorgen so für ideale Lebensbedingungen. Und natürlich füllt ihr Wasser die Flüsse ausreichend, so dass genügend »Asphalt auf den Straßen der Lachse« liegt.

Auch der Ozean wird durch den Zufluss des Gletschers abgekühlt und kann sich so besonders nährstoffreich entwickeln. Denn der antarktische Krill liebt kaltes Wasser. Die Grundlage dafür, dass die Rotlachse auch im Pazifik eine solide Nahrungsgrundlage besitzen. Gespeist vom herrlichen Gletscherblau.

Mitte März: Die Kraft der Sonne

Ein Rotfuchs erhascht die letzten wärmenden Sonnenstrahlen in der Abenddämmerung. Er sucht wie viele Tiere im stellenweise noch verschneiten Alaska die Kraft der Sonne – im hohen Norden ist sie von besonderer, lebensstiftender Bedeutung.

Durch die Nähe zum Polarkreis profitiert der US-Bundesstaat davon, dass die Sonne nun im Frühjahr immer länger scheint. Mitte März wird es bereits etwa die Hälfte des Tages sein. Das Maximum wird am 20. Juni erreicht sein – dann spendet die Sonne ganze 18 Stunden, 27 Minuten und genau 47 Sekunden der Bristol Bay ihr Licht. Das sind rund anderthalb Stunden mehr als in Mitteleuropa.

Dieses Phänomen nennt man Polarsommer. Die Tiere und die Pflanzen haben die Möglichkeit, sich die verlorengegangen Energie des harten, lichtarmen und damit sehr kalten Winters zurückzuholen. In der relativ kurzen, sonnenintensiven Periode von April bis August explodiert dann in Alaska das Leben förmlich. Die rapide steigende Helligkeit und Wärme sind quasi ein »Booster« für die Fortpflanzung und das Wachstum der Flora und Fauna.

Die langen Polarsommertage helfen auch dabei, dass Pflanzen ihre Blüten lang entfalten und Tiere ausgiebig nach Nahrung suchen können. Für den Fuchs heißt das: weniger Sprünge durch kalte Schneedecken, um an Mäuse im Untergrund zu gelangen – mehr Jagderfolge im offenen Gelände.

Eine Zeit, in der alle Lebewesen im »Land, in dessen Richtung das Meer strömt«, die nötige Energie sammeln und ihrer Vitalität Ausdruck verleihen können. Unter ihnen ist nicht nur der Fuchs an Land, sondern auch der Rotlachs im Wasser.

Ende März: Zeit der Brütlinge

Ende März kommt auch der letzte Schnee in Südwestalaska in Bewegung. Überall ergießen sich Wasserfälle in die Gewässer und füllen die Flussbecken aus. Das Wasser wird unruhiger, die Tierwelt erwacht vollends. Das Grün der Pflanzen erlangt nun die Überhand.

Die Lachse im Wind River haben ihren Vorrat aus dem Dottersack, der Hülle ihres Eis, fast aufgebraucht. Sie beginnen nun mit der eigenständigen Nahrungsaufnahme und damit mit dem Schwimmen. Man nennt sie nun Brütlinge.

Die kleinen Fische bewegen sich dabei oft im Schwarm, meist geschützt in der Nähe der Uferböschung - entfernt von den unruhigen Stellen im Wasser. Ihre Vorsicht hat gute Gründe, denn sie haben viele natürliche Fressfeinde. Im Wasser stellt ihnen der Bachsaibling, eine Gattung aus der Familie der Lachsfische, nach. Aus der Luft greifen viele Vögel nach den kleinen Lachsen.

Das alles folgt einem größeren Plan, denn die Natur hat die hohen Verluste der Rotlachse eingerechnet. Nur eines von 1000 Lachskindern erreicht das Erwachsenenalter. Der Rest ist sozusagen der »Beitrag« des Sockeyes für ein Ökosystem, in dem die Wanderfische auf vielfältige Art und Weise eine zentrale Rolle spielen. Als Jungtiere dienen sie eher kleinere Lebewesen als Futterquelle - nach ihrer Rückkehr auch den Großtieren dieser beeindruckenden Wildnis hier im Wood-Tikchik-Nationalpark.

Anfang April: Die Pubertät der Sockeyes

Der milde Frühling Alaskas geht nun langsam in den wärmere Temperaturen über. Viele Tiere durchstreifen die Wälder: Braun- und Schwarzbären, Wölfe, Füchse und Elche. Sie suchen in der kurzen, warmen Periode des Jahres nach Nahrung, um sich für härtere Zeiten zu wappnen.

Auch im Wind River, tief in Südwestalaska, nutzen die Sockeyes die warme Zeit, um zu wachsen. Die Lachsbrütlinge werden nun eigenständiger. Sie verlassen ihren Schwarm und suchen sich eigene kleine Reviere im Fluß. Sie sind auf der Jagd nach kleinen Wasserinsekten und später auch nach anderen Fischen. Im kommenden Jahr – bei anderen Lachsarten auch mehrere Jahre – wachsen die Rotlachse im heimischen Gewässer auf eine Länge von 30 cm heran.
Wir möchten dem Sockeye diese Zeit zum langsamen Heranreifen geben. Deshalb machen wir im nächsten Beitrag eine großen zeitlichen Sprung – ein Jahr weiter. Denn dann ist die Zeit für die »pubertären« Rotlachse, endlich ins offene Meer zu schwimmen.

Mitte April: Vergißmeinnicht

Im Schatten der großer Bäume Südwestalaskas findet man an versteckten Uferstellen zu dieser Zeit das Vergissmeinnicht. Die zarten, blau leuchtenden Blüten im waldigen Untergrund erinnern uns daran, die Rotlachse im Gedächtnis zu behalten. Denn ein Jahr werden sich die Sockeyes nun zu Jungtieren hier im Wind River und der Umgebung weiterentwickeln.

Unsere Erinnerungshilfe, das Vergissmeinnicht, entdeckt man – in ihren vielen Arten – im Wood-Titchik-Nationalpark oft. Die blaue, dezente Schönheit gehört zu Alaska wie leuchtendes Rot zu den Sockeyes. Deshalb wurde sie auch zur offiziellen Blume des Bundesstaats auserkoren. Sie ist der Stellvertreter der großen Pracht an Wildblumen, die im hohen Norden Amerikas ein geschütztes Zuhause gefunden haben – ob an endlosen Ufern, in tiefen Wäldern oder in der Steppe.

Das Vergissmeinnicht ist eine Blume der Treue – sie scheint uns zuzurufen, dass wir mit Geduld dem Wachstum der Sockeyes zuschauen sollen.

Ende April: Die Perlenkette der Seen

Der große Ozean ruft nach den Rotlachsen. Doch auf dem Weg zum Pazifik müssen sich die Rotlachse zuerst in den zahlreichen Seen, Flüssen und Strömen des Wood-Titchik-Nationalparks beweisen.

Vom Wind River wagen sich unsere Sockeyes deshalb nun in die nächsten, größeren Gewässer vor: zuerst in den Lake Kulik, dann in den Michaik Lake und den Lake Beverley. Schließlich erreichen sie den Nerka Lake und zuletzt den Lake Aleknagik. Diese Seen reihen sich wie an einer verschlungenen Perlenkette auf – eine ungewöhnliche Seenkaskade. Sie sind vor langer Zeit aus Gletscherwasser der Eiszeiten entstanden und dienen auch heute noch als Abflussgebiet der umliegenden Berge.

Umgeben sind sie von riesigen Waldgebieten, in denen viele Wildtiere wie Rentiere , Bären , Füchse und Wölfe leben. In ihrem Wasser schwimmen außergewöhnlich viele Regenbogenforellen und Saiblinge – und natürlich alle fünf pazifischen Lachsarten. Der Fischreichtum zieht jedes Jahr im Sommer deshalb viele Touristen an, die gerne angeln und an den Seen campen.

Die Rotlachse sind jedoch länger als nur einen Sommer hier. Denn was wir Euch als die Reise durch die Seen hier im Zeitraffer vorstellen, kann in Wirklichkeit bis zu drei Jahre dauern. Solange brauchen die Rotlachse oftmals, um aus dem tiefen Hinterland durch die Seenkaskade bis zur Flussmündung in den Pazifik zu schwimmen.

Anfang Mai: Die Baumriesen am Ufer

Immer weiter entfernen sich die Rotlachse vom Wind River, dem Ort ihrer Geburt. Über viele hunderte Kilometer säumen nun mächtige Wälder die Ufer des Nerka- und Aleknagik-Sees, die die Lachse passieren. Die großgewachsenen Bäume sind stille Beobachter, wenn die Lachse gen Pazifik schwimmen.

Die vielen Baumriesen sind Teil der großen Kaltregenwälder Südalaskas. Eine Nadelbaumart kann dabei Höhen von über 50 m erreichen: die Hemlocktanne. Ihre Größe und Höhe macht die Besonderheit der beeindruckenden Wälder Alaskas aus – weiter südlich prägt auch die noch höhere Sitkafichte das Bild des Waldes. Sie kann sogar bis zu 90 m emporwachsen. Der Lebensraum der dichten, mächtigen Baumriesen bietet vielen wilden Arten Schutz und Nahrung.

Der entscheidende Faktor für den Riesenwuchs der Bäume ist die Feuchtigkeit, die durch die Wassermassen des stillen Ozeans und der weitläufigen Flusssysteme im Wood-Titchik-Nationalpark gespeist wird. Viele Pflanzen haben sich an diese hohe Luftfeuchtigkeit angepasst. An den lang auskragenden Zweigen der Tannen finden sich häufig Moose. Diese Moosarten stillen ihren Feuchtigkeitsbedarf nicht, wie wir es aus Europa oft kennen, aus dem Boden. Sie filtern häufig aus der feuchten Luft Wasser. Und auch die riesigen Hemlocktannen selbst können nur so groß werden, weil ihnen permanente Feuchtigkeit und damit Wasser zur Verfügung steht.

In den kalten Breiten des Nationalparks haben die Bäume nur die wenigen warmen Sommermonate Zeit, um das Wasser zur Entwicklung zu nutzen. In der kurzen, dreimonatigen Sommerperiode wachsen hier die Tannen so viel, wie woanders das ganze Jahr über.

Für die Lachse bietet der Überfluss an Wasser vor allem eins: perfekte Lebensbedingungen in den Flüssen, umgeben von mächtigen Wäldern.

Mitte Mai: Zeit der Verwandlung

Es ist die Zeit der Verwandlung. Denn die Sockeyes haben nun die fünf Seen des Wood-Tikchik-Parks verlassen und wandern über den Wood River und den Nushagak River in den Süden, in Richtung Pazifik.

Die Rotlachse sind nun drei Jahre alt – man nennt sie in diesem Entwicklungsstadium Smolts. Sie werden sich bald ihr »Meereskleid« anlegen: eine blaugrüne Rückenfärbung und einen silbern schimmernden Bauch. Auch der Wandel vom Süß- zum Salzwasserfisch steht ihnen bevor. Es ist eine Zeit der Metamorphose – für viele Lebewesen. Ob zu Wasser oder an Land.

Oft nur einen Steinwurf von den Lachsen entfernt vollzieht auch das arktische Weidenröschen seine Verwandlung. In purpurnen Blüten erblüht die Pflanze und bedeckt prachtvoll über und über große Flächen an den sandigen, schottrigen Flussufern Alaskas.

Diese Pflanze ist aber nicht nur wegen ihres Standortes eng mit den Lachsen verbunden. Die Ureinwohner Südwestalaskas, die Yu‘pik, nutzten über Jahrtausende die Fasern der Pflanzen. Sie fertigten daraus Fischernetze und fingen damit die fünf Lachsarten, die hier in den Flüssen vorkommen. Besonders geschätzt waren die Sockeyes, die Rotlachse – für die Yu‘piks der »Fisch der Fische«.

In heutigen Zeiten sind die arktischen Weidenröschen weniger beteiligt an der Rotlachsreise. Still wiegen ihre Blüten im Wind des Nushagks Rivers, wenn sich die Lachse für das salzige Wasser des Pazifiks bereitmachen.

Ende Mai: Das Tor zum Pazifik

Eine letzte Flussbiegung, dann ist das Delta des Nushagak Rivers erreicht. Der Weg zum großen Stillen Ozean steht den Rotlachsen nun offen.

Hier in der Bristol Bay, der flachsten Stelle des Golfs von Alaska, bieten sich den Lachsen ideale Bedingungen, um weiter zu wachsen und zu gedeihen. Alle fünf pazifischen Lachsarten – Rotlachs, Königslachs, Silberlachs, Ketalachs und Buckellachs – besiedeln deshalb den Ozean im hohen Norden Amerikas. Die weitverzweigten Flusssysteme im Hinterland Südalaskas sind ihre Laichgebiete.

Die Sockeyes fühlen sich hier besonders wohl. In der Bristol Bay existieren die weltweit größten Rotlachsbestände. Als Raubfische finden sie in den kalten, nährstoffreichen Gewässern viele kleine Fische, Garnelen und Krill-Krebse. In den zerklüfteten Küstenregionen der Alaska-Halbinsel gehen unsere Rotlachse aus dem Wind River nun die nächsten drei, manchmal auch vier oder sogar fünf Jahre auf Nahrungssuche.

Die lang gestreckte Alaska-Halbinsel, die sich weit in die neue Sockeye-Heimat erstreckt, ist ein Relikt erloschener Vulkane des pazifischen Feuerrings. Sie bildete noch vor 10.000 Jahren eine Landbrücke hinüber ins heutige Russland. Über sie gelangten die ersten Siedler nach Nordamerika. Das waren die Vorfahren der heutigen indigenen Völker des Nordens – und damit die ersten modernen Menschen, die jemals den pazifischen Rotlachs erblickten.

Anfang Juni: Gut gebrüllt ist halb gewonnen

Steinige kleine Felsinseln markieren die Zone, in der das Küstenwasser zum offenen Ozean wird. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zu den großen Wogen des offenen Pazifiks.

Auf ihrem Weg nach »draußen« treffen die Rotlachse dabei auf Kolonien der Stellerschen Seelöwen, die auf diesen felsigen Eilanden vor der Küstenlinie leben. Diese Inseln beheimaten zu Hochzeiten mehrere hundert Seelöwen; gut zu erkennen an ihrer gelbbraunen Farbe. Ab Mitte Mai sind hier bereits die erste Exemplare anzutreffen. Zuerst finden sich die paarungswilligen Männchen ein, die Weibchen folgen etwa eine Woche später.

Im Gegensatz zu anderen Seelöwen leben die Weibchen dieser Art in Polygamie. Das erklärt, warum die Männchen besonders laut um ihre Gunst buhlen. Auch unter der Wasseroberfläche sind die röhrenden, mächtigen Rufe der Stellerschen Seelöwen für die Lachse gut wahrnehmbar.

Die Rotlachse sind gewarnt: Seelöwen essen neben Tintenfischen, Krebsen und Muscheln auch Fische. Kein Wunder, dass sich die meisten Kolonien in besonders ergiebigen Fischgründen befinden. Für guten Fisch taucht der Stellersche Seelöwe dabei bis zu 180 m tief – oft tauchen die Tiere zur Jagd gemeinsam in großen Gruppen; so können sie besser Fischschwärme einkreisen.

Mitte Juni: Erfolgreichste Tierart der Erde

Im offenen Pazifik wird den Rotlachsen eine besondere Ehre zuteil: sie treffen auf die erfolgreichste Tierart dieser Erde. So könnte man den antarktischen Krill titulieren. Denn diese kleine Krebsart gibt es in einer unzähligen Menge auf unserem Planeten. Biologen schätzen, dass ihre gesamte Biomasse ungefähr 500 Millionen Tonnen ausmacht. Kein Lebewesen auf der Erde bringt es auf diese enorme Zahl.

Der ungefähr 6 cm lange lange antarktische Krill ist der entscheidende Baustein des Ökosystems hier im Golf von Alaska. Denn fast alle größeren Meerestiere – Wale, Meeresvögel, Robben und viele Fischarten – haben in ihrem Speiseplan diese Krebse aufgenommen. Auch unsere Rotlachse, die Sockeyes. Ein Beweis dafür ist ihr rötlich gefärbtes Fleisch. Diese Farbe stammt von den kleinen Krebstierchen, die viel Karotin enthalten.

Die Welt des Antarktischen Krills ist eine fantastische. Die kleinen Wesen ernähren sich von Kieselalgen, die nur unter dem Mikroskop sichtbar werden. Die Krille sind mit ihren vielen Beinchen in der Lage, Kieselalgen einzufangen und zu fressen. Eine weitere Nahrungsquelle, die erst vor kurzem entdeckt wurde, sind Eisalgenfeldern. Der Minikrebs frisst dabei die an der Unterseite des Packeises die dort lebenden Algen ab – fast wie ein Mähdrescher, der ein Feld erntet.

Mit dieser Schlüsselposition in der Nahrungskette des Nordpazifiks schließen die Tierchen die Lücke zwischen mikroskopisch kleinen Planktonalgen und den großen Meeresbewohnern. Sie besitzen damit eine Ausnahmestellung.

Auch der Rotlachs profitiert vom Krill. Seine Ernährung während seines Wachstums im Meer, ca. 3-4 Jahre, baut auf den Verzehr von Krill auf. Der Lachs kann so bis zu einer stattlichen Länge von 90 cm heranwachsen.

Ende Juni: Reisebekanntschaft

Ab und zu tauchen sie plötzlich aus dem Ozeanwasser auf: die mächtigen Fluken. Es sind die sichtbaren Zeichen, dass die Buckelwale in nordischen Gewässern angekommen sind.

Wenn sich Rotlachse und diese Bartenwale im Wasser des Pazifiks begegnen, könnte man von einer Reisebekanntschaft sprechen. Beide Tiere sind nur für eine gewisse Zeit hier.

Eines haben diese Riesen der Meere mit den Sockeyes gemeinsam: sie sind hier, um sich den Bauch vollzuschlagen. Die Gewässer der Bristol Bay gelten als besonders nahrungsreich – kalt und damit voller Krill und zahlloser Fischen. Ein ideales Jagdrevier für diesen Bartenwal, denn als sogenannter Schluckfiltrierer benötigt er große Schwärme, um diese mit seinem offenen Maul zu verschlingen.

Für beide Tiere – ob Wal oder Lachs – gilt auch: das große Fressen im nordischen Ozean dient als Vorbereitung für eine lange Reise und die anschließende Fortpflanzung. Während die Sockeye-Lachse bald gen Norden in den Nushagak River zurückkehren werden, schlagen die Buckelwale den Weg nach Süden ein. Wenn sie sich eine ausreichende Fettschicht angefressen haben – man nennt sie Blubber – führt sie ihre Route in die Gewässer von Hawaii. Hier gibt es zwar deutlich weniger Nahrungsangebot, aber im warmen Wasser lassen sich Kinder besser gebären und aufziehen.

Das sieht bei den Lachsen ganz anders aus. Für sie muss es kalt, ja eiskalt sein, damit ihre Jungen geschützt zur Welt kommen können. Warum? Bleibt dran – und ihr werdet es erfahren. Oder schaut in unsere Post am Jahresanfang nach.

Anfang Juli: Magnetisch angezogen

Drei Jahre haben die Sockeyes nun im Pazifik verbracht. Im späten Frühjahr bis zum Spätsommer ihres sechsten, manchmal siebten oder gar achten Lebensjahres, setzt ein mächtiger Trieb ein. Der Fortpflanzungstrieb, der tief in ihren Genen programmiert ist.

Nun gibt es nur noch ein Ziel für die Sockeyes: zurück zu den Wurzeln. Dafür machen sie sich eine Fähigkeit zu eigen, die ebenfalls in ihrer Natur liegt. Lachse besitzen, so fanden Forscher von der Oregon State University heraus, die angeborene Fähigkeit zur Navigation. Genauer gesagt: Ein Organ in ihrem Kopf ist in der Lage, Neigungen und Stärke des Erdmagnetfeldes zu erkennen. Diese Fähigkeit ist ungefähr vergleichbar mit einer Positionsbestimmung in Längen- und Breitengraden. So können die Sockeyes erkennen, wo sie sich gerade befinden – und wohin sie schwimmen müssen, um nach Hause zurückzukehren.

»Diese Tiere haben offenbar eine angeborene Fähigkeit, das Erdmagnetfeld zu lesen und so den Weg zu den Orten zu finden, wo schon ihre Vorfahren lebten«, so David Noakes, Fischökologe an der Oregon State University. »Das scheint etwas Vorgegebenes zu sein und zeigt ein hoch entwickeltes Verhalten.« Er und seine Kollegen hatten den Spürsinn der Lachse in einem Experiment untersucht, bei dem sie das Magnetfeld künstlich beeinflussten und so nachweisen konnten, dass die Lachse ihr Verhalten darauf anpassen.

Diese Magnetnavigation hilft den Sockeyes nach Jahren im Pazifik, bei ihrer Heimkehr die richtige Richtung einzuschlagen. Ihre Route führt sie so zielgerichtet zu der Flussmündung, aus der sie vor einigen Sommern in den offenen Ozean hinaus schwammen. Für unsere Rotlachse wird es die Mündung des Nushagak Rivers sein.

Mitte Juli: Durch den Unterwasserwald

Bei ihrer Heimkehr vom Ozean zur Küste müssen die Lachse durch den Wald. Genauer gesagt: durch den Unterwasserwald. Vor der Küste von Alaskas Bristol Bay erstrecken sich riesige Seetangkolonien. Ihre bis zu 45 Metern hohen »Baumstämme« bilden die Algen des Riesenkelps.

Inmitten des Tangs leben die Seeotter. Sie nutzen den Kelp, um sich daran fest zu halten und Schutz und Nahrung zu suchen. Oft tun Sie das zu Hunderten und treiben gemeinsam an der Wasseroberfläche im Meer – man nennt das Floß. Im größten jemals entdeckte »Raft« wurden 2000 Seeotter entdeckt!

Von den Kelpwäldern aus starten die Seeotter zu ihren Jagdausflügen. Sie müssen dabei jeden Tag 25-40 % ihres Körpergewichtes an Nahrung aufnehmen. Denn die Kälte Alaskas kostet viel Energie.

Ihnen fehlt im Gegensatz zu vielen anderen Tieren in diesen Breitengraden eine schützende Fettschicht – dafür besitzen sie aber ein außergewöhnlich prächtiges Haarkleid. Mit 160.000 Haaren pro Quadratzentimeter ist es das dichteste im gesamten Tierreich. Diese Isolierung hat einen weiteren Vorteil: in den Haaren schließen sich viele kleine Luftblasen ein, die den Ottern zusätzlich Auftrieb verleihen.

Mit diesen Anpassungen meistern sie das Leben in den Kelpwäldern – für die sie ebenfalls sehr wichtig sind. Die Lieblingsspeise der Otter sind Seeigel – und ohne den Verzehr würden diese stacheligen Meerestiere den Unterwassertang auffressen.

Für unsere Lachse ist der Einblick in diese Welt des Wasserwalds nur ein kurzer Moment. Sie lassen ihn bald hinter sich und nähern sich der Mündung des Nushagak Rivers in der Bristol Bay.

Ende Juli: Der Geruch von Heimat

Immer der Nase nach – das ist jetzt das Motto der Lachse. Denn mit dem Eintritt in die Flüsse orientieren sich die Sockeyes am spezifischen Geruch des Geburtsortes, der bis zur Mündung dringt. Die magnetische Orientierung hat ihren Dienst bis zur Küste geleistet – siehe dazu der Absatz Anfang Juli.

Mit dem Eintritt in das Süßwasser im Flussdelta des Nushagak Rivers hören die Lachse auf zu fressen. Ihre Energie konzentriert sich voll und ganz auf die kraftraubende Reise zurück zu ihrem Geburtsort im Wind River, weit im Hinterland Südwestalaskas.

Eine erstaunliche Verwandung geht außerdem in ihnen vor. Sie werden vom Salzwasser- zu einem Süßwasserfisch – so wie einst vor drei Jahren umgekehrt. Diese Metamorphose wird auch an einer farblichen Veränderung sichtbar. Der blaugrüne Rücken der Tiere wird nun rot. Dieser leuchtende Farbton gibt den Rotlachsen ihren Namen. Auch der Kopf bekommt eine neue Farbe: er wird nun blaugrün. Der Kiefer und die Schnauze verfärben sich zu einem kräftigen Schwarz. Dank dieser auffälligen Färbung erkennt man die Rotlachse gut in den Flüssen.

Viele Tiere können es kaum abwarten, dass die Farben der Lachse zurückkehren. Denn die Wanderfische besitzen eine kaum zu überschätzende Bedeutung für die stickstoffarmen Wälder und Tundren Südwestalaskas. Die Abermillionen Sockeyes bringen jedes Jahr neue Nährstoffe aus dem Meer ins Landesinnere. Was genau dahinter steckt, erfahrt Ihr ebenfalls auf unserer Reise der Rotlachse.

Anfang August: In Erwartung der Sockeyes

Das lange Warten auf die Lachse. Eine schlanke Bärenmutter blickt mit ihren Jungen am Ufer sehnsüchtig auf das Wasser.

Im Winterschlaf hat sie ihre zwei Jungen geboren und anschließend in ihrem gut geschützten Bau für die beiden gesorgt. Sie selbst hat weder getrunken noch gegessen. Dabei hat sie 40 % ihres Gewichts verloren. Nach dem Verlassen der Höhle im Frühjahr haben sich die Drei von Pilzen und Pflanzen in den dichten Wäldern des Wood-Tikchik-Nationalparks ernährt.

Doch langsam wird es Zeit für energiereiche Nahrung: das Fleisch der Lachse. Aber die Fische verspäten sich – kein Sockeye in Sicht. Als alleinerziehende Bärenmutter ist es besonders gefährlich in Alaskas Wildnis, denn zahlreiche Bärenmännchen können zur Gefahr für die Jungen werden, weil sie diese als Konkurrenten wahrnehmen. Da ist jede Energie aus Nahrung für mehr Widerstandskraft der Mutter willkommen.

Doch nur Lachsschwemme in den Flüssen bietet die Chance, sich das richtige Gewicht für den nächsten Winterschlaf anzufressen. Nie ist es so leicht für Großtiere, einfach an energiereiches Fleisch zu gelangen. So trägt der Wanderfisch entscheidend dazu bei, dass die großen Raubtiere in Alaskas hartem Winter mit den nötigen Reserven überleben können.

Mitte August: Himmlische Verwandte

Wenn sich die Lachse auf dem Weg zurück nach Hause befinden, sind am Himmel und an Land mehr und mehr große Vogelschwärme zu entdecken. Denn die Reise der Rotlachse ist nicht die einzige Wanderung , die Tiere hier in Alaska auf sich nehmen. Entlang der Küste absolvieren jedes Jahr 140 Millionen Zugvögel ihre eigenen Routen – über die Hälfte des Bestands auf der nördlichen Hemisphäre.

Ein Vogel ist mit seinem Verhalten dem Lachs als Wanderfisch besonders nah. Es ist die Kragenente – sie ist so etwas wie der Rebell unter den Zugvögeln. Denn ihre Route verläuft nicht von Nord nach Süd, sondern von West nach Ost. Mit dieser Orientierung tut sie es den Sockeyes gleich. Die Weibchen dieser Entenart zieht es ebenso wie die Rotlachse zu ihrem Geburtsort an den Flüssen im Inland zurück.

Die Kragenenten lieben schnell fließende Gewässer mit einem reichhaltigen Angebot an Wasserinsekten – eine weitere Ähnlichkeit zu den jungen Lachsen. Man findet die Vögel deshalb oft in der Nähe von Wasserfällen.

Einen Vorteil haben die Enten jedoch: mühelos gelangen sie über die Barrieren der Flüsse, die sich die Rotlachse mit vielen Sprüngen erobern müssen.

Ende August: Das Rot der Flüsse

Endlich! Das Rot in den Flüssen im Hinterland Alaskas ist zurück. Die Rotlachse kehren aus der Bristol Bay in die kleineren Gewässer des Wood-Tikchik-Nationalparks heim; die Flüsse sind voll von ihnen.

Auf diesen Moment haben auch die Bären gewartet - sie fressen sich mit den vielen Lachsen aus den Flüssen ihren Winterspeck an. Denn im kalten Alaska braucht man in der Winterruhe besonders viel körpereigene Reserven. Auch unsere Bärenmutter mit ihren zwei Jungen benötigt die Kraft aus den Rotlachsen.

Weil ihre Jungen noch ungeschickt sind, fängt sie für drei. Das heißt: sie ist bis zu 20 Stunden am Tag mit dem Lachsfischen beschäftigt. Dabei kann sie bis zu 40 kg Sockeye täglich verspeisen. Weil das Nahrungsangebot in Zeiten der Sockeye-Wanderung so groß ist, essen die Bären oft nur den energiereichsten Teil der Lachse – viel Aas bleibt so für andere Tiere übrig. Das ist ein kleiner Teil des großen Kreislaufs, in dessen Mittelpunkt die Lachse stehen.

Anfang September: Das Wachsen mit den Lachsen

Das Wachsen mit den Lachsen – die Entwicklung des Waldes im Wood-Tikchik State Park ist eng mit diesen Fischen verbunden. Alles beginnt dabei mit den Bären.

Jeder von uns kennt die Bilder nordamerikanischer Bären mit Lachsen in den Pranken und Schnauzen. Für »Meister Petz« ist er ein nahrhafter Leckerbissen, für den Wald jedoch vor allem Düngemittel.

Das Schauspiel des tierischen Fischfangs ist wohl der spektakulärste Part eines Kreislaufs, von dem der Wald in Alaska und Kanada an der Pazifikküste profitiert. Denn die Bären greifen sich viele Lachse, verzehren aber nur etwa ein Viertel. Zudem belassen sie ihre Beute nicht nur direkt am Ufer, sondern tragen sie auch tief in die Wälder – um dem Streit mit Artgenossen zu entgehen.

Ohne es zu wissen, helfen die Bären damit dem Wald. Denn der Sockeye-Lachs enthält besonders viele sogenannte »Marine Derived Nutrients«, also Nährstoffe marinen Ursprungs. Vor allem Stickstoff bringt der Fisch in die großen Wälder des amerikanischen Nordens ein – dieser Stoff ist hier Mangelware. In zahlreichen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die dortigen Flüsse überall das im Fischfleisch häufig vorhandene Stickstoff-Isotop 15N enthalten.

Bis zu 40 kg Stickstoff kann ein zotteliger Gourmet im Jahr im Wald hinterlassen. Und dieses Element hat sich in weiteren Analysen als enorm wichtig erwiesen: an Lachsstandorten wuchsen die großen Sitka-Tannen bis zu dreimal schneller als in Abwesenheit der Wanderfische. Und: 24 % des Stickstoffgehalts in den Baumriesen stammen dabei aus dem Meer. Ein perfekter natürlicher Dünger.

Diese Wachstumshilfe für die Pflanzen und Tiere gehört damit zum Kreislauf des Lebens, dessen Motor der pazifische Rotlachs ist.

Mitte September: The American Eagle

Ihren scharfen Augen entgeht nichts. Die Weißkopfseeadler Alaskas wissen genau, wann die Rotlachse in den Nushagak River und den Wood River zurückkehren. Und mit der vierfachen Sehkraft des Menschen sind sie in der Lage, ihre Fischbeute auch im Wasser gut zu erspähen.

Der imposante, braun und weiß gefiederte Greifvogel wurde nicht zuletzt wegen seiner Eleganz, seiner scharfen Sinne und Kraft zum Wappentier der Vereinigten Staaten. In natura stellt er seine Stärken bei der Jagd nach Sockeyes nun unter Beweis. Auf Baumwipfeln, meist in der Nähe von Flüssen, beobachtet er seine Umgebung. Mit Präzision schlägt er zu, wenn er für sich einen geeigneten Lachs im Wasser entdeckt hat. Seine gelben Krallen packen den Fisch dank einer ausgeklügelten Biomechanik – gleichsam einer Schraubzwinge, aus der kein Lachs entkommen kann. Für die Weißkopfseeadler ist der Strom der Rotlachse sehr wichtig. Sie dienen ihm und seinen Jungen als energiereiche Nahrungsquelle. Erst mit fünf Jahren werden diese Adler erwachsen und damit geschlechtsreif – bis dahin benötigen sie viel Kraft zum Heranwachsen. Dass sie erwachsen sind, erkennt man dann an ihrem typisch weißen Kopf- und Halsgefieder.

Ausgewachsen erreichen sie eine Flügelspannweite von über 2,50 m und eine Länge von 90 cm. Die majestätischen Vögel können 15 bis 20 Jahre alt werden. Der älteste registrierte Weißkopfseeadler wurde mit einem Alter von 38 Jahren bestimmt. An diesem für Vögel biblischen Alter haben auch die Rotlachse und ihr kraftspendendes Fleisch ihren Anteil. Damit gehört auch Amerikas Wappenadler zum ökologischen Kreislauf der Wildnis Alaskas, der durch die Wanderungen der Lachse lebendig gehalten wird.

Ende September: Die letzten Stromschnellen

Viele hunderte Kilometer haben die Rotlachse nun in Südwestalaska zurückgelegt – jedes Jahr treten ungefähr 36 Millionen Exemplare die Reise allein in der Bristol Bay an. Sie haben Ströme, Flüsse und große Seen durchschwommen. Etliche von ihnen haben es nicht geschafft. Sie sind den Bären, den Adlern und anderen Raubtieren zum Opfer gefallen, für die die Lachse wichtige Nahrung bieten. Ihren Tribut für ein funktionierendes Ökosystem in diesen nordischen Breiten haben die Sockeyes bezahlt. Und doch gibt es immer noch viele Rotlachse, die den Weg zum Wind River bestreiten. Neben ihrer Widerstandsfähigkeit hat ihnen auch ihr stromlinienförmig gebauter Körper dabei geholfen. Der Lachs ist ideal geformt, um dem Wasser möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Spindelförmig und seitlich abgeflacht – so »designt« kann der Sockeye seine ganze Kraft für den Sprung über das nächste Hindernis einsetzen.

Auch die letzten Stromschnellen, die letzten Wasserfälle und die letzten Felsen meistern noch viele Rotlachse. Trotz schwächer werdender Kräfte springen sie ein ums andere Mal über Hürden. Ihr unbändiger Antrieb ist es, neue Nachfahren in die Welt zu setzen. Und zwar im ideal geeigneten Wind River, der mit Kiesbetten und sanfter Fließgeschwindigkeit lockt.

Anfang Oktober: Am Ziel

Die Reise der Rotlachse – hier findet sie ihr Ende. In einem flachen Wasser des Wind Rivers haben die Wanderfische nach sechs oder mehr Jahren jetzt das Ziel erreicht. Ihre Geburtsstätte wird auch die Geburtsstätte ihrer Söhne und Töchter werden. Im Kiesbett, tief im Hinterland Südwestalaskas, beginnen die Weibchen – man nennt sie Rogner – eine flache Grube anzulegen. Sie wirbeln mit ihrer Schwanzflosse kräftig die Kieselsteine auf. In der so entstehenden Mulde geben die Sockeye-Frauen ihre Eier hinein. Dies tun sie an mehreren Stellen und erhöhen so die Chancen ihres Nachwuchses.

Auf die Weibchen folgen die Männchen, die Milchner. Mit ihrem Samen befruchten sie die frischen Eier. Dann sind wieder die Rogner an der Reihe. Sie bedecken den Laich wieder mit Kieselsteinchen. So sind die Lachse der Zukunft geschützt – damit möglichst viele kleine Rotlachse den Wind River im nächsten Frühjahr bevölkern. Die Fürsorge mit Kies ist das letzte, was die erfahrenen Rotlachse in ihrem Leben für die Nachfahren tun. Danach sterben sie erschöpft von den Strapazen im Flussbett. Aber auch im Tod erweisen die Eltern ihren Nachkommen noch einen Dienst. Denn ihre Kadaver enthalten Nährstoffe, von denen sich Kleinstlebewesen ernähren – und diese werden wiederum zur Nahrung der nächsten Sockeye-Generation.

So steckt im Ende auch immer ein Anfang – der Anfang zu einer neuen Reise der Rotlachse.

Mitte Oktober: Die Menschen, die »Yu’pik« sprechen

Die Rotlachse haben es vollbracht – der Kreislauf der Natur hat sich mit ihrer Wiederkehr geschlossen. In vielen Erzählungen verehren die Ureinwohner Alaskas – die Yup’ik, Inupiat, Inuvialuit und Sugpiaq – diesen Zyklus des Lebens. Ein Zeichen ihrer Wertschätzung ist ihr Name für die Sockeyes: er heißt bei ihnen »Fisch der Fische«. Die Yup’ik, die größte Kultur von Ureinwohnern in Südwestalaska, schätzen den Sockeye seit vielen Jahrhunderten als kraftspendende Nahrungsquelle. In den Seen und Flüssen der Bristol Bay und deren Hinterland fingen sie den Wanderfisch früher vor allem mit Netzen. Die Bezeichnung »Fisch der Fische« verdeutlicht auch, welche Bedeutung der Rotlachs unter den fünf pazifischen Lachsarten für die Ureinwohner einnahm. Er sicherte ihr Überleben in den tiefen Wäldern Alaskas. Denn auf seine Rückkehr und damit eine sichere Nahrungsquelle in Abermillionen Exemplaren war jedes Jahr Verlass. Und diese Sicherheit war in der Wildnis überlebenswichtig.

Der Name der Ureinwohner Südwestalaskas – »Yup’ik« – steht auch für eine gemeinsame Sprache, die verschiedene Gruppen diesseits und jenseits der Pazifiks besitzen. Gesprochen wird sie heute von ca. 10.000 Menschen im amerikanischen Südwestalaska und der Alaska-Halbinsel, aber auch auf der russischen Tschuktschen-Halbinsel. Insgesamt leben ungefähr 21.000 Yup’ik dies- und jenseits des nördlichen Pazifiks. Die Verbreitung der Sprache auf dem amerikanischen wie russischen Ufer belegt, dass die Ureinwohner damals über eine Landbrücke von Asien nach Amerika einwanderten.

Ende Oktober: Land, in dessen Richtung das Meer strömt

Ein Sturm zieht auf. Im Land, in »dessen Richtung das Meer strömt« – so wie die Ureinwohner auf der Inselgruppe der Aleuten ihr »Alakschak« nannten. Ende Oktober sinken die Temperaturen nun deutlich. Am Himmel bestimmen dichte, dunkle Wolkengebilde oftmals die Tage.

Über 36 Millionen Sockeye-Lachse sind vom frühen Sommer bis hin zum Herbst vom Meer in die neun Flüsse der Bristol Bay zurückgekehrt – auch unsere Rotlachse über den Nushagak River bis tief ins Hinterland, dem kleinen Wind River. Nun folgen auch die zähesten Lachse, die Königslachse. Die seltenste pazifische Lachsart gilt als besonders ausdauernd und legt auch die längsten Wanderstrecken zurück. Mit ihrer Rückkehr wird der Winter eingeläutet.

Ihre Verwandten, die Sockeyes, haben dann bereits eine neue Generation in den Kiesbetten gegründet. Die Pegel der Flüsse in Südwestalaskas steigen nun durch häufige Regengüsse. Die Tropfen gehen seit Mitte Oktober vermehrt in Schneeflocken über. Damit folgen sie einer alten Weisheit aus Alaska – denn das Arktische Weidenröschen hat Ende August seine letzten Blütenblätter abgeworfen. Und dem Sprichwort hier im hohen amerikanischen Norden nach fällt bereits sechs Wochen später der erste Schnee.

Ein fortwährender wiederkehrender Kreislauf, der von den Jahreszeiten bestimmt wird – so wie der des Sockeye-Lachses.

Anfang November: Der Zauber des Kreislaufs

»Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.« Nein – dieses Zitat des deutschen Lyrikers Hermann Hesse werden die Rotlachse Alaskas nicht kennen.

Und doch trifft es auf sie zu – ihr Wachstum im Laich, den befruchteten Eiern ihrer Eltern, hat bereits tief im Flussbett unter Kieselsteinen begonnen. Im Wind River, dem Fluss im überwältigenden Wood-Tikchik-Nationalpark, entwickelt sich eine neue Generation von Sockeyes. In ihnen steckt auf wundervolle Weise – genetisch verankert – die Reiselust. Auch sie werden wie ihre Vorfahren die erlebnisreiche Wanderung vom Fluss bis zum großen Pazifik – und wieder zurück – antreten.

Der Zauber der Natur stattet sie dabei mit einem »Navigationssystem« aus, dass sie mithilfe der Erkennung elektromagnetischer Felder der Erde und des spezifischen Geruchs der Geburtsstätte sicher wieder zurückbringen wird.

In diesem Kreislauf voller Wunder wird auch die Flora und Fauna Alaskas ihren Beitrag zur Reise der Rotlachse leisten. Kieselsteine werden die Lachseier schützen und klare Gletscherwasser die richtige Temperatur bereitstellen. Grauwasseramseln werden ihre Jungen mit Lachslaich füttern, Bären ihren Nachwuchs mit ausgewachsenen Sockeyes ernähren. Riesige Hemlocktannen werden stumme Zeugen ihrer Reise sein, in ihrem Schatten erinnern sich dann die arktischen Weidenröschen an vergangene Zeiten als Fischernetze. Stellersche Seelöwen werden die Rotlachse auf steinernen Pazifikinseln begrüßen, Buckelwale mit ihren mächtigen Fluken schlagen.

Unmengen an Krill werden die Sockeyes im Pazifik vertilgen, bis sie sich voller Vitalität zurück auf den Weg über viele Hindernisse machen. An den Ufern werden dann die Yu‘pik-Indianer ihren Kindern vom »Fisch der Fische« erzählen. Und die naturverbundenen Einwohner Alaskas werden den Zauber der millionenfach wiederkehrenden Sockeyes bestaunen: die Reise der Rotlachse.

Danke, dass Ihr ihre Weggenossen wart.

Der Lachs zu unserer Geschichte: Unser Wildlachs 150 und 100 g aus Alaskas Weiten